Big Zis – 4xLove:2
Das Bewusstein für weibliche Künstlerinnen in der Rap-Szene wächst seit einigen Jahren stetig. Eine unter ihnen ist Big Zis, wobei sie alles andere als eine Rap-Novizin ist. Seit den 90er Jahren macht die Schweizer Rapperin nun schon Musik und mischt insofern schon eine ganze Weile in der Szene mit. Was heute mit Cardi B, Ebow und Shirin David vogue ist, wollte Big Zis bereits in den 00er Jahren durchsetzen und legte schon damals Wert auf feministisch zynische Texte.
„Ich wurde als Feministin und Kampflesbe abgestempelt.“, sagt Big Zis in einem Interview mit der Züricher Wochenzeitung. „Jetzt ist plötzlich ein ganz anderes Interesse da“. Spätestens seit der Me-Too-Bewegung rücken Diskriminierungsthemen auch innerhalb der Rap-Musik mehr und mehr in den Vordergrund – Für weibliche Rapperinnen ergaben sich neue Impulse sich Gehör zu verschaffen und verstärkt über ihre eigene Betroffenheit sexistischer Diskriminierungen zu rappen, was längst an der Zeit war!
Rap kann nämlich vor allem eines sein: sich dem eigenen Diskriminierungsthema widmen und so gegen das `Feindliche‘ abheben - also perfekte Zeit für Frauen in der Kampfzone des Raps zu brillieren. Und genau das macht Big Zis auf eine sehr integre Art, indem sie sich in ihren Texten aktuellen feministischen Themen ironisch und zugleich kunstvoll widmet.
Ihr letztes Album 4xLove:2, das 2020 erschien, spannt einen großen Bogen über essentielle, feministische Themen. So rappt sie in „iCare” über unterbezahlte Care-Arbeit, in systemische Nachteile ignoriert und Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Weiter geht Big Zis auf die Widersprüchlichkeit ein, die es als Betroffene auszuhalten gilt:
ich han Not drum iCare (ich habe Not, deshalb iCare)
ich han Härz drum iCare (ich habe ein Herz, deshalb iCare)
ich han Hirn drum iCare (ich habe ein Gehirn, deshalb iCare)
… ich han Muet drum iCare (ich habe Mut, deshalb iCare) […]
nie nie fertig drum iCare (nie nie fertig sein, deshalb iCare)
ich versorg und ich bach (ich versorge und ich bade)
es isch klarer als klar (es ist klarer als klar)
ich sorg und bin da (ich sorge ich bin da)
das isch nöd unbezahlbar (das ist nicht unbezahlbar)
Mit „FCV” (Funky Cool Vagina) persifliert sie den äußerst sexistischen Song Funky Cold Medina aus den 00er Jahren und transformiert ihn in eine Ode an die weiblichen Geschlechtsteile. Als würde das nicht schon ausreichen, baut sie ungeniert eine weiteres Wortspiel ein, indem sie die Passage „Girls Just Want To Have Fun“ des gleichnamigen berühmten Song zu einem „Girls just want to have fundamental rights“ umwandelt.
In „To Bling to Plong” befasst sich Big Zis mit einer feministischen Kapitalismuskritik. Sie rappt, inwiefern sich wirtschaftliche Interessen die weibliche Fruchtbarkeit zu eigen machen und den Wert einer Frau festlegen. Ihre Darstellung ist zwar sehr überspitzt formuliert, aber in ihren Worte steckt ein wahrer Kern.
si verbuecht und schöpft im Chreissaal (sie verbucht und schöpft im Kreissaal)
ire Konjunkturzyklus isch am boome (ihr Konjunkturuyklus ist am boomen)
iri Wirtschaft am blüe blüeh bloomä (ihre Wirtschaft am blühen, blühen)
si dä Fertilitäter Trägerin vo Realitäte(sie ist die Fertilitätsträgerin von der Realität) […]
whou was füres Gschäftsmodäll (wow, was für ein Geschäftmodell)
ire Zyklus isch Chreislauf vom Gäld (ihr Zyklus ist ein Kreislauf von Geld)
Si hät über Nacht Eigekapital (sie hat über Nacht Eigenkapital)
Unterstützend zu dem Inhalt des Songs hat ihre Stimme etwas Warnendes, die zusammen mit einem elektronischen Klangteppich eine sehr bedrohliche Stimmung entstehen lassen. Im Refrain hingegen singt Big Zig wie ein naives, verträumtes Kind, das nichts ahnend an einem Glockenspiel klimpert.
Ein weiteres, und das wohl wichtigste Thema für weibliche Rapperin greift sie in ihrem Track „Miss Ding” auf. Darin macht sie eine zynische Anspielung auf den Vorwurf, den bestimmt die meisten Frauen in der Rap-Szene zu hören bekommen: sich von bestehenden Ideen männlicher Rapper zu bedienen, und es zu wagen, sich als Frau der Szene anzueignen - der Vorwurf einer Art männliche Appropriation!? Oder sie stoßen auf das Gegenmodell, lediglich auf die Rolle der Frau reduziert zu werden und sich demgegenüber behaupten zu müssen:
ejakule dasch mini Munition (ich ejakuliere das ist meine Munition)
ja ich bin reduziert (ja ich bin reduziert)
ja ich han dich reduziert (ja ich hab dich reduziert)
ja ich han reproduziert (ja ich hab reproduziert)
ja ich bin domestiziert (ja ich bin gezähmt)
Hört man sich die 11 Tracks des Albums an, so wird, wie so oft, klar, dass es noch vieler solcher Diskurse braucht und sich Personen zu Wort melden, um wirklich wahre Veränderung zu bewirken. Big Zis bestreitet diesen Kampf seit Jahrzehnten, obwohl sie als Einzelkämpferin lange Zeit damit alleine war. Heute kann sie sich wenigstens über regen Zuwachs von weiblichen Rapperinnen freuen, die auch zum Mikro greifen und gegen sexistische Diskriminierung rappen, um die Rap-Welt aufzumischen und bestehende Verhältnisse zu ändern.
4xLove:2 auf Spotify: