Kerosin95 - Volume 1
Gestartet in der österreichischen Hip-Hop Underground Szene machte sich Kerosin95 (bürgerlich Kathrin Kolleritsch) innerhalb der letzten Jahre einen immer größeren Namen – durch was stellt sich hier die Frage? Meine Aufmerksamkeit hat Kerosin95 durch ihre Lyrics des Songs HEEEY ihres Albums Volume 1 erhalten, die mich durch ihre ungenierten, ironischen und stichelnden Aussagen sofort neugierig gemacht haben:
Ja, ich hab keine Zeit
Ich bin busy mit relaxen
Mit meinen Axelhaaren im Wind
Ein bisschen flexen -HEEEY
Sofort entstand bei mir ein Bild einer Person, die sich um nichts schert, indem sie getrost mit ihren Achselhaaren durch die Gegend cruist. Die erste Reaktion, die in mir aufkam: „Coole Aktion! So losgelöst und selbstsicher will ich auch sein“. Ich unterstelle, dass Kersosin95 genau solche Reaktionen in einem hervorrufen möchte. Ihr ehrliches Verhalten, inwiefern sie wahrgenommen werden will und sich nicht verstellen möchte, löst bei mir Bewunderung aus und man will ihr dafür Respekt zollen. Idealerweise mit dem Ergebnis selbst ähnlichen Mut und selbstbestimmtes Verhalten zu zeigen.
Im Subtext erkenne Ich jedoch hinter ihren scharfsinnigen Sticheleien indirekte, politische Kampfansagen. Diese Kämpfe führt sie vorwiegend gegen Sexismus, Feindlichkeiten gegenüber der Homo- und Transcommunity, einhergehend mit den normativen Vorgaben, denen vor allem jene Gruppen unterworfen sind. Kerosin95 sieht sich und alle anderen Teile der Gesellschaft in der Verantwortung, solidarisch den Kampf zu führen, denn nur so könne sich normativ etwas ändern.
Ihre Kampfansagen verpackt sie in ganz verschiedener Art: Zum einen zeigt sie Rap-Attidüde, indem sie den Hörenden mit non-konformen Anspielungen im klassichen Rap-/“Dis“-Slang befeuert. Ein Paradebeispiel liefert dazu FUTTER, einen Track, mit dem sie wie folgt austeilt:
Bist du im Weg
Dann wird das bitter
Hast du Angst vor meiner Art?
Bist du jealous auf meinen Bart?
Wärst du auch gern mal so zart?
Und wärst du auch gern so knallhart?
Ey, ich weiß, du musst dich schämen
Hab' kein' Bock auf deine Tränen
Weil du mir immer so begegnest -FUTTER
Zum anderen bringt sie persönliche Themen, die sie bedrücken durch Poetry-Gesang zum Ausdruck: So singt sie in NIE WIEDER FÜHLEN über den Verlust der Selbstliebe, in NACHT über ihre Verzweiflung sich selbst zu finden und zu akzeptieren. Steigernd dazu beschreibt sie in BETON sehr eindrücklich, wie es sich anfühlt, von der eigenen Persönlichkeit abgetrennt zu sein:
Ich vermiss' mich
Fühl' mich jeden Tag einfach so giftig
Frag mich bitte nicht wie's mir geht
Die Antwort ist ziemlich offensichtlich
Ich bin schlecht
Mir wird schlecht
Alles dreht sich
Alles geht nicht -BETON
Durch ihre Texte stellt sie sich ihren Ängsten und öffnet einen Raum zur Reflektion über die eignen Perspektiven. Kerosin95 hat somit durch und in ihrer Musik eine spielerische Methode gefunden, Persönliches verarbeiten zu können, obgleich sie dafür ironisch, belustigende, als auch traurig, ernste Worte wählt. Und ja, diese offene und ehrliche Art, die sie durch einen individuellen/“abweichenden“ Look ihrer kurzen, pinken Harren und schwarzen Oberlippen-Flaum unterstützt, bietet für manche gewiss Irritationspotential. Doch für den Rest, den größeren Addressat*innenkreis, zu dem ich mich zähle, stellt sie vor allem Inspiration und wichtige Impulse bereit.
Volume 1 auf Spotify: